Erkenntnis

DIALOG: Rationalität und Emotionalität

Lieber Umutos

Danke für deinen interessanten Beitrag. Ich würde gerne ein paar Gedanken dazu beisteuern: Ratio wird häufig mit Verstand übersetzt. Verstand ist die Grundlage des wissenschaftlichen Denkens. Das Ergebnis einer rationalen Handlung muss also auf Basis der gegebenen Information für Jedermann (und Frau selbstverständlich) nachvollziehbar sein. Irrational ist demnach eine Handlung, die dem Kriterium der Nachvollziehbarkeit wiederspricht. Während wir beim Zustandekommen unserer Gedanken ständig "dabei" sind und der rationale Prozess bei gegebenem Informationsstand wiederholt werden kann und nachvollziehbar bleibt, ist unsere Erfahrung mit Emotionen eine andere. Emotionen treten auf und verschwinden, kommen aus uns Selbst oder unserer Umgebung, lassen sich nicht immer fassen und der Ursprung bleibt letztendlich oft im Dunkeln. Während wir uns mit der Ratio die Welt ordnen, setzen wir uns mit der Emotio in ein Verhältnis zu ihr. Mit dem Willen (das wäre das Dritte) greifen wir gestaltend ein. Denken, Fühlen und Wollen gehören zusammen sind aber völlig unterschiedliche Instanzen, die jeweils ihren eigenen Gesetzen gehorchen.

Daraus ergibt sich für mich:


  1. Emotionalität ist kein Teil von Rationalität, sondern eine eigene Instanz. Nichtsdestoweniger treten die beiden oft gemeinsam auf - z.B. wenn die Emotion stark ist uns sich der Ratio zu ihrer Rechfertigung bedient. Oder wenn die Ratio zu keinem Ergebnis kommt und für eine Entscheidung die Emotion zu Hilfe nimmt.
  2. Rational ist nicht gut und irrational böse. Oft sind es gerade irrationale Handlungen, die einer Biografie, einem Prozess,... eine interessante Wende geben.
  3. Rationale Entscheidungen können nicht aus der Zukunft beurteilt werden. Ob eine Entscheidung rational ist, lässt sich nur aus dem Informationsstand zum Zeitpunkt der Entscheidung beurteilen.
  4. Rationale Entscheidungen unter Unsicherheit können nicht auf Basis eines zukünftigen Resultates beurteilt werden, da die Unsicherheit ein (aus Sicht des Entscheiders zum Entscheidungszeitpunkt) nicht-rationaler Teil des Tatsachenverlaufes ist, sonst wäre es keine Unsicherheit
  5. Rationale Entscheidungen können zu einem schlechten Ergebnis führen (Absturz der gekauften Aktie) und trotzdem rational sein.

Wenn jemand den Markt schlägt, kann es sein dass er einfach Glück hatte. Wenn allerdings seine Analysen und Informationen besser waren hat auch er genauso wie der Markt rational gehandelt. Oft wird der Fehler gemacht, dass erfolgreiche Händler als rational dargestellt werden - das eine hängt aber mit dem anderen garnicht zusammen. Wie viele Marktteilnehmer gibt es, deren Erfolg so sehr schwankt wie das Wetter - und wie wenige mit wirklich konstanter nachhaltiger Performance. Und die die wirklich performen haben in der Regel einen gewaltigen Informationsvorsprung - handeln dadurch aber nicht rationaler, sondern haben nur mehr Daten zur Verfügung.

Hoffe das war jetzt nicht zu verwirrend. Bin gespannt auf weitere Beiträge zu diesem Thema!!

Danke

Max